Zwei kurze, kräftige, tief-dröhnende Tuuuut bläst das rot-weiße Schiff dem kleinen Hafen entgegen. Es ist die “Kong Harald” der Reederei Hurtigruten die hier gerade in Stokmarknes am Kai festmacht.
Dabei ist Stokmarknes nur einer von 34 Häfen, in denen die Kong Harald auf ihrer Route von Bergen im Süden Norwegens nach Kirkenes kurz vor der russischen Grenze im Norden festmacht. Nach einem festen Fahrplan schippert das Schiff – wie ein Linienbus – entlang der Küste. Tagein, tagaus.
Die Kong Harald ist eines von 14 Schiffen, die im Linienverkehr die norwegische Küste entlangschippern. Ein Linienbetrieb der weltweit einzigartig ist und seine Wurzeln tief in der Vergangenheit der norwegischen Seele hat. Ende des neunzehnten Jahrhunderts (genaugenommen 1893) hatte der norwegische Kapitän Richard With ein Experiment gewagt. Mit seinem Dampfschiff “Vesterålen” gelang es ihm, nach jahrelanger akribischer Planungen, die Strecke von Trondheim nach Hammerfest in nur 67 Stunden zu bewältigen. Sein Geheimnis: als erster Kapitän traute er sich zu, die Route auch während Nacht in Küstennähe zu fahren. Aus den Anfängen Richard Withs ist heute das entstanden, was weltweit legendären Ruf genießt: die Postschiffroute Hurtigruten.
Seit seiner ersten Fahrt 1893 ist die Hurtigrute Lebensader Norwegens. Grundversorgung von Waren aus dem Süden, Fisch aus den Fanggewässern des Nordens, Pakete und Briefe – all das konnte plötzlich regelmäßig und unabhängig von langen, harten Wintern (nahezu) ganzjährig transportiert werden. Und gerade weil die Schiffe so regelmäßig Kaffe, Gewürze, Post und Fisch bringen, haben sie einen besonderen Stellenwert bei den Norwegern. Für viele Norweger in den abgelegenen Häfen im Norden ist die Ankunft der Hurtigruten-Schiffe eine feste Größe in ihrem Tag. Viele setzen für ihren Tagesablauf, ihren Arztbesuch oder den Familienbesuch auf die Regelmäßigkeit der Schiffsverbindung. Wie ein Linienbus eben.
Wir begeben uns auf die Reise mit dem Postschiff; fahren ein kleines Stück mit der Linienverbindung entlang der norwegischen Küste.
Neben den täglichen Warenversorgungen haben die Hurtigruten in den vergangenen Jahren auch für Touristen an Reiz gewonnen. Denn neben Norwegern, die zum Arzt müssen oder Fische für den Süden nehmen die Schiffe seit einiger Zeit auch Reisende mit, die sich auf der “klassischen Postschiffroute” von Bergen nach Kirkenes und wieder zurück schippern lassen. So sind gerade die Schiffe der neueren Generation mehr Kreuzfahrtschiff, denn Postschiff: Restaurants, komfortable Kabinen und Sauna sind inzwischen an Bord selbstverständlich.
So schlendern wir über das Schiff, wie bei einem kleinen Stadtbummel. Als die Kong Harald im Hafen ablegt, stehen wir an der Reling auf Deck 5 blinzeln in die Sonne, lassen den Blick über den Hafen von Stokmarknes schweifen, lauschen den kreischenden Möwen und dem tiefen Brummen des Schiffsmotors. Danach bummeln wir durch die Bistros, Restaurants und den Bord-Shop an Deck 4, bevor wir uns von all den Strapazen im gemütlichen Café an Deck 7 ausruhen müssen.
An den großen Panorama-Fenstern ziehen Fjorde, Felsen, kleine Inselchen, rote Häuschen und bunte Bojen vorbei. Oft nur wenige Meter von der Schiffsreling entfernt.
An Bord treffen wir immer wieder Reisende, die nur “kurz” mitfahren – für einen Behördengang in der nächsten Stadt oder um die Verwandtschaft “im Süden” zu besuchen. Aber auch Ausflugsreisende (viele aus Deutschland oder England) die komplett alle 11 Nächte an Bord bleiben, sich an Landausflügen und Bordvorträgen erfreuen.
Nach unserer Erholungspause bei einer Tasse Kaffee halten wir uns stets in der Nähe der herrlich großen Fenster auf. Den Blick auf die vorbeiziehende Küste, spitze Berge, von denen sich waghalsig dünne Wasserfälle stürzen, grüne Wiesen klammern sich an steile Hänge, dazwischen schlängelt sich (manchmal) eine Straße. Über uns begleiten kreischende Möwen das Postschiff auf seiner südgehenden Route. Von all diesen Eindrücken können wir nicht lassen. Knipsen hier, staunen da und tagträumen dort.
Und als wir uns eigentlich immer noch nicht sattgesehen haben, erreichen wir Svolvær – der Hafen, in dem wir schon wieder aussteigen. Die Ausflügler starten zum teuer gebuchten Landausflug, ein paar Mitreisende fallen ihrer Verwandschaft in die Arme. Und wir stehen noch verträumt am Pier, hängen unseren Gedanken dieser Mini-Kreuzfahrt nach.
Nebenan an der Ladeluke des Schiffes wird gewerkelt, ein- und ausgeladen. Ein Stapel schafft Unmengen Lofotenpils an Bord, während nebenan Kistenweise Fisch ausgeladen wird. Denn am Ende sind die Hurtigruten doch Arbeitsschiff und Lebensader der Küste.