Es war einmal in einem Land, wo die Winter lang und die Saunen heiß sind – nein, das ist keine Märchengeschichte, sondern die alltägliche Realität in Finnland, dem Land der tausend Seen und mindestens genauso vieler Saunen. Hier, wo auf zwei Finnen statistisch eine Sauna kommt, ist das Schwitzen nicht nur eine Kunstform, sondern eine Lebensweise, die tief in der Seele eines jeden Einwohners verankert ist.
Stell dir vor, du bist in Lappland, wo die Rentiere mehr als nur Weihnachtsdekoration sind und das Nordlicht den Himmel in ein spektakuläres Lichtermeer verwandelt. Hier, wo die Natur noch unberührt scheint, findest du dich in einem Saunabus wieder. Ja, du hast richtig gehört: ein Bus, der nicht nur von A nach B fährt, sondern dich auch ins Schwitzen bringt. Für rund 800 Euro kannst du vier Stunden lang mit 19 anderen Saunaliebhabern von einem malerischen Ort zum nächsten fahren. Draußen mag es eisig kalt sein, aber im Inneren des Busses erwartet dich eine Hitze, die deine Poren öffnet und deine Seele erwärmt.
In der Hartwall-Arena in Helsinki, wo Eishockey die Massen begeistert, gibt es Logen mit eigenen Saunen. Hier kannst du auf warmen Holzbänken sitzen und durch getönte Scheiben das Spiel beobachten, während dein Körper von der Hitze umschmeichelt wird. Das Saunieren in der Arena ist ein gesellschaftliches Ereignis, eine Art modernes Ritual, das Firmenausflüge und private Feiern gleichermaßen anzieht.
In einem Land, das mehr Saunen als Rentiere zu haben scheint – und das will etwas heißen – entdeckten wir das wahre Herz Finnlands. Es schlägt nicht in den pulsierenden Diskotheken von Helsinki, sondern in den holzbefeuerten Saunen, die sich wie versteckte Schätze in der endlosen Weite finden.
Nachdem wir in diesem Winter die städtischen Saunen hinter uns gelassen hatten, zog es uns in die Wildnis. Für ein paar Tage hatten wir eine kleine Hütte in Lappland gemietet. Hier, wo das Internet so selten ist wie ein finnischer Sommertag ohne Mitternachtssonne, fanden wir sie – die perfekte Unterkunft, die so abgelegen war, dass selbst Google Maps kapitulieren würde.
Die Hütte selbst war ein Meisterwerk der finnischen Schlichtheit – kein Strom, kein fließendes Wasser, nur wir, die Hütte und ein See, der so still und zugefroren einfach da lag. Die Sauna, ein kleines Holzgebäude, das aussah, als wäre es von einem finnischen Hobbit erbaut worden, stand stolz am Ufer des Sees bereit, uns in die Geheimnisse finnischer Entspannung einzuweihen.
Das Anheizen des Ofens war eine Zeremonie für sich. Jeder Holzscheit, den wir auf das wachsende Feuer legten, knisterte, als würde er mir zuflüstern: „Geduld, junger Padawan, die Kunst des Saunierens kann nicht überstürzt werden.“ Der Duft des brennenden Birkenholzes mischte sich mit dem frischen Aroma des umliegenden Waldes, und wir fühlten uns, als würden wir in einem riesigen aromatherapeutischen Raum sitzen.
Als die Hitze schließlich ihren Höhepunkt erreichte, war es, als würden wir in eine andere Dimension eintreten. Der Dampf, der bei jedem Aufguss aufstieg, trug die Wolken der Entspannung.
Die Finnen nehmen ihre Saunakultur ernst – so ernst, dass selbst ihre UN-Soldaten in den entlegensten Ecken der Welt Saunen errichten. In den finnischen Botschaften rund um den Globus ist eine Sauna ebenso selbstverständlich wie ein Konferenzraum. In Finnland selbst ist es kaum vorstellbar, ein Sommerhaus oder gar ein Wohnhaus ohne eigene Sauna zu besitzen. Selbst in einem ehemaligen Gefängnis, das nun als Hotel dient, wurde die Tradition des Saunierens von den Häftlingen auf die Hotelgäste übertragen.
Die Liebe der Finnen zur Sauna ist uralt, mindestens tausend Jahre, um genau zu sein. In einem Land, das von eisigen Wintern geprägt ist, war die Suche nach Wärme eine dringende Notwendigkeit. Die Sauna war ein multifunktionaler Raum – ein Ort zum Räuchern, Waschen und sogar zur Geburt von Kindern, denn sie galt als besonders hygienisch.
Im 18. Jahrhundert versuchten die Schweden, die damals über Finnland herrschten, das Saunieren als ungesund und unzüchtig zu brandmarken. Doch während sie bei ihren eigenen Landsleuten Erfolg hatten, scheiterten sie bei den Finnen kläglich. Die Sauna war für viele die einzige Freude, die sie sich nicht nehmen lassen wollten. Heute ist die Sauna fast ein nationales Symbol, so natürlich und unverzichtbar wie die Seen, in die man zwischen den Schwitzgängen springt.
Die Finnen haben eine besondere Beziehung zur Sauna, die weit über das reine Schwitzen hinausgeht. Es ist eine Form der Meditation, ein Ort der Entspannung und des Vertrauens. Kinder werden oft schon wenige Wochen nach ihrer Geburt in die Sauna mitgenommen, was vielleicht erklärt, warum die Finnen eine solche körperliche Verbindung zu diesem Ritual haben.
Die berühmteste Sauna des Landes befindet sich in der Villa von Urho Kekkonen, Finnlands legendärem Präsidenten. Hier, in der Präsidenten-Sauna, wurden politische Geheimnisse und Strategien zwischen Ost und West geschmiedet. Die Sauna war ein Ort von politischen Diskussionen, von offenem Austausch und geschmiedeten Plänen – aber auch ein Symbol für finnische Diskretion.
Nachdem wir uns in der lappländischen Sauna so richtig durchgekocht hatten, war es Zeit für den ultimativen finnischen Test: das Wälzen in der dicken Schneedecke. Bewaffnet mit dem Mut der Unwissenheit rissen wir also die Saunatür auf und ließen uns bäuchlings in den frisch gefallenen Schnee plumpsen. Eine unglaubliche Kälte durchfuhr den Körper und erinnerte uns mit aller Kraft an die Existenz jeder einzelner Zelle.
Und so, zwischen dem Schwitzen und dem Schneewälzen, zwischen dem Feuer und dem Eis, entdeckte wir an diesem Abend das wahre Finnland. Ein Land, in dem die Sauna nicht nur ein Raum ist, sondern ein Zustand des Seins, ein Ort, an dem man sich selbst begegnet und feststellt, dass man, egal wie heiß es wird, immer bereit ist, in den Schnee zu springen.