15:24 Uhr – ein rot-blauer Zug russischer Bauart fährt auf Gleis 12 des Berliner Hauptbahnhofes ein. Die Zugbegleiter erinnern mit ihrer biederen, abzeichenschweren Uniform und den tellergroßen Schirmmützen mehr an einen russischen General denn an Bahnpersonal.
Trotz erster Verständigungsschwierigkeiten mit dem Schaffner finden wir schnell unser Abteil: links drei übereinander angeordnete Betten. Das Unterste dient tagsüber als Sitzfläche, das mittlere Bett – entsprechend nach unten geklappt – als Rückenlehne und die oberste Pritsche als Gepäckablage.
Rechts ein kleiner Kleiderschrank und ein Waschbecken.
Für jedes Nachtlager liegen Bettwäsche und Handtücher bereit – ein Service wie in einem Hotel.
Der Zug ist mit flauschigen, bunten Teppichen ausgelegt.
Noch vor der deutsch-polnischen Grenze kommt der Schaffner zur Ticketkontrolle. Lange hat er uns auf Russisch angesprochen, bis ihm und uns klar wurde, dass es wohl ernsthafte Verständigungsschwierigkeiten geben wird. Ein herbeigerufener Zugbegleiter aus einem anderen Waggon kann notdürftig mit etwas deutsch/englisch aushelfen: „Habt ihr ein Visum für Weißrussland?“ und „Keinen Müll ins Klo werfen!“
Kurz nach der deutsch-polnischen Grenze: der Zugbegleiter aus dem Nachbarwaggon kommt mit einem Formular zu uns. Dass wir das ausfüllen sollen – soweit haben wir verstanden. Die Übersetzung der russischen Formularfelder endet allerdings in völliger Unverständlichkeit.
Aus den allesamt russischen Fahrgästen, die wohl weder Englisch, Deutsch noch Französisch sprechen, finden wir endlich eine Betreuerin einer Schülergruppe, die uns auf Englisch mit dem Formular weiterhelfen kann. Geduldig diktiert sie, was wir in die einzelnen Felder des Formblattes schreiben sollen:
„Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?“, „Macht einfach mal hier ein Kreuz, das passt dann schon!“, „Wie viele Kinder haben Sie dabei?“
Wer das Antragsblatt nun aber bekommt, ist und bleibt unklar. Ordentlich zusammengefaltet lege ich es in meinen Pass. Wer’s braucht, wird es sich sicher wegnehmen.
Es wird Nacht auf der Strecke durch Polen. Auf dem Gang gehen die anderen Fahrgäste auf und ab während wir noch ein bisschen mit dem Gepäck und dem beschränkten Platz in dem Abteil kämpfen. Mit Pantoffeln, Bademantel und Trainings-Anzug auf den Fluren des rollenden Hotels – die anderen Passagiere scheinen schon etwas routinierter zu sein als wir.
Gerade als wir schlafen gehen, klopft der Schaffner an unserer Tür. In Stoffhose und Hemd und ohne den militärisch anmutenden Anzug erkenne ich ihn kaum wieder. Wir sollen die Rollos schließen, denn hin und wieder wird der Zug mit Steinen beworfen. Abfällig winkt er ab: „Die Polen!“ und wünscht uns eine – so entnehme ich seinem freundlichen Lächeln – eine gute Nacht.
Was für eine schöne Geschichte!
Und noch ein toller Kommetnar
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